Thymianöl und der Winter in Maine

Gerard Donovan: Winter in Maine. Luchterhand 2009
Gerard Donovan: Winter in Maine. Luchterhand 2009

Gern würde ich euch eine Nase voll davon schicken, im ganzen Haus riecht es nach Thymianöl. Mein Mutti-Rezept für hustende Kinder: einen nassen Wattebausch mit Thymianöl tränken und ans Kopfende des Bettes legen. Wirkt prima!

Die Kinder sind seit heute fieberfrei und die Sache mit dem Husten kriegen wir auch noch hin. Neben dem Öl haben wir uns Ruhe verordnet und verbringen ein sehr, sehr entschleunigtes Wochenende.

Auf meinem gekauft-und-immer-noch-nicht-gelesen-Stapel liegt seit dem letzten Winter ein schmales Buch, das auf seine Stunde bis gestern gewartet hat. "Winter in Maine" von Gerard Donovan scheint mir gut zu einem Nachmittag zwischen Taschentüchern und Tee vor nasskalter Januarkulisse zu passen.

"Die Leute besiegen den Winter, indem sie nächtelang lesen und die Seiten hundertmal schneller umblättern, als ein Tag vergeht, kleine Zahnräder, die während all dieser Monate ein größeres in Bewegung halten. Der Winter ist fünfzig Bücher lang und heftet einen an die Stille wie ein augespießtes Insekt. Sätze verwandeln sich in einzelne Worte, und um zwölf Uhr verschmelzen die beiden Zeiger zu einem. Jeder Schritt versinkt im Norden. So ist die Zeit in Maine, das Weiß der Zeit." Spätestens mit diesem Abschnitt hat mich das Buch ganz und gar eingenommen. Und das hält an bis zur letzten Seite. Wunderschöne Sätze, wunderbar poetisch erzählt!

Julius Winsome lebt in einer einsamen Hütte in den Wäldern von Maine. Er hat einen treuen und geliebten Begleiter, seinen Pitbullterrier Hobbes. Doch dann wird Hobbes erschossen und Julius fasst einen erschreckenden Entschluss. Er wird den Verlust rächen. 

Nüchtern, nachdenklich, dicht und klug erzählt kommt der Leser der Gefühlswelt von Julius Winsome nahe. Ein wunderschönes Buch, das anrührt und weit über den ersten Anschein der Geschichte -der Verhältnismäßigkeit zwischen dem Tod eines Hundes und der grausamen Rache- hinausausgeht.

"... aber bei den Ereignissen des Lebens muss man die eigene Anerkennung gewinnen. Es gibt niemanden, dem man etwas vorführen kann, niemanden, der sagt: Gut gemacht." 

Ein wunderbares Buch, das sich an einem kalten Wintertag im Februar wie von selbst liest. Unbedingt lesenswert!

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