Nach Hause

Ein furchtbares Malheur, blanke Nerven und eine schlaflose Nacht im LMC

Von: Thomas und Martina
Betreff: Unsere Nerven ...
Datum: 23. August 2011 15:00:39 MESZ
An: @family
Hallo Familie,
Die folgende Geschichte ist unglaublich, aber wahr!
Eigentlich sollten wir in zehn Minuten Deutschland erreichen und sind aber immer noch auf schwedischem Boden. 
Wir haben uns gestern mit halb vollem Tank auf den Weg Richtung Fähre gemacht. Unterwegs sollte es im kleinen schönen Fischerdörfchen Kivik noch feinen Fisch als Wegration geben. So war der Plan . . .
Die erste Automaten-Tanke nahm unsere Kreditkarte nicht, bei der zweiten Tanke war der Dieselzapfhahn abgerissen, die dritte Tanke funktionierte auch nach zwanzig Minuten Wartezeit und Beteuerungen des Tankwarts nicht und die fünfte Tankstelle, mittlerweile sind wir in Kivik eingetroffen, war außer Betrieb. Tankanzeige zwischenzeitlich auf NULL. Die nächste Tanke in 8 km Entfernung ist seit 18:00 Uhr geschlossen und bis zur nächsten offenen in 25 km trauen wir uns auf dem engen Küstensträßchen nicht. Dass der Fischladen just schon um fünf Uhr geschlossen hatte und der Umweg umsonst war, brauchen wir nicht extra zu erwähnen, oder?!
Was tun? In unsere Ratlosigkeit tritt eine Dame aus Schweden, die in perfektem Deutsch ihre Hilfe anbietet. Auch sie hätte hier nicht bekommen was sie wollte und würde zu Hause einen Kanister holen und dann nach Simrishamn fahren und uns mit Diesel versorgen. Diesel? Genau, wir brauchen Diesel! Eine Dreiviertel Stunde später erscheint unser schwedischer Engel mit einem Kanister mit der Aufschrift Diesel und entschuldigt sich, dass der Tankautomat leider keinen Beleg ausgespuckt hat. 
Diesel rein, dem schwedischen Engel Blümchen zum Dank überreicht und los ... Satte 150 Meter weit. Das WoMo spuckt, stottert und steht. Alle Belebungsversuche zwecklos.
Hat jemand einen Verdacht? Wir hatten ihn!
Es folgt ein Anruf beim ADAC. Nach einer Stunde meldet sich ein schwedischer Abschleppdienst und nach weiteren 1,5 Stunden war er dann auch da. Wir werden ins 70km entfernte Ystad geschleppt, der Abschlepper nimmt eine tüchtige Nase aus unserem Tank und verwettet seine Oma drauf, dass da kein Diesel drin ist.
In Ystad sind wir froh, dass uns das Abschleppen nur 100Euro kostet und der ADAC die Differenz trägt. Das ging glimpflich ab. Entgegen der Vorschrift durften wir vier auch während des Schleppens im WoMo bleiben ... Andernfalls hätten wir mit einem schlafenden und einem übermüdeten Kind auch noch ein Taxi gebraucht. Um halb zwölf schlüpfen wir erschöpft in die Koje und verbringen die Nacht vor der Fiat-Werkstatt.
Nach einer unruhigen Nacht trappeln wir vier morgens um 7 in die Werkstatt. Auf unsere Frage, was denn kaputt ist und wie lange es dauern würde, bekommen wir zur Antwort zwischen einer Stunde und einer Woche. Aha. Das war vermutlich auch gleich der Kostenvoranschlag.
Die Wartezeit bis zur Diagnose versuchen wir mit einem Stadtbesuch zu überbrücken, der überhaupt keinen Spaß macht. Der kaputte LMC liegt uns hetig im Magen und wir ertappen uns dabei, wie wir in Ystads Gassen nach einer geeigneten Bleibe schielen ... und dabei wollen wir nur noch eins: Heim!
Nach zwei Stunden kommen wir aus der Stadt zurück und unser WoMo flitzt an uns vorbei!!!!!!
Die Freudengesänge auf Schalke sind vermutlich ein Dreck gegen unseren Jubel! Diagnose: wie erwartet war Benzin statt Diesel im Tank. Reparatur: Tankreinigung, Filterwechsel und 20l Diesel rein. Kosten: 230 Euro. Schwein gehabt! 
Bevor wir uns von Ystad verabschieden, fahren wir bei der Polizei vorbei. Ich weiß nicht genau warum, aber ich habe mir aus einem vagen Gefühl heraus das Kfz- Kennzeichen der Schwedin notiert. Mit Namen und Telefonnummer der Halterin machen wir uns auf den 60 km langen Weg Richtung Fährhafen. Gibt es ein schöneres Geräusch, als einen schnurrenden Diesel?
Hier sitzen wir also, müde und erleichtert. Die Reederei hält uns möglicherweise für unzurechnungsfähig, haben wir doch von Donnerstag auf Dienstag, wieder auf Donnerstag und schließlich auf Mittwoch umgebucht. Dabei soll es nun bitte bleiben!
Es grüßen aus der schwedischen Ferne
Martina und Thomas mit Anna & David 

Wie die Geschichte ausging? 

Zurück in good old Germany verbringen wir zwei Tage am Main-Donau-Kanal, winken von unserem Stellplatz aus den Schiffchen und baden im Roth-See. Entspannung bei weit über 30 Grad.

Mit der Dame, die uns in Schweden aus der Patsche helfen wollte, haben wir telefoniert. Tatsächlich kam es an der Tankstelle zu einer vergängnisvollen Verwechslung. Mit einer Taste konnte sie zwischen zwei Kraftstoffarten wählen und auf den ersten Druck reagierte der Automat nicht - im zweiten Versuch wählte sie die falsche Taste. Tja, und dass das Gerät dann noch keinen Beleg ausdruckte ist schon eine fast unglaubliche Verkettung der Umstände ... Hut ab vor so viel Ehrlichkeit! Ihr Wohlwollen ging noch weiter: sie übernahm einen Teil der Werkstattrechnung.

Ende gut, alles gut und: über meine Schweden lasse ich nix kommen! ;-)